Radiochemie

Strahlen als Molekülschmiede

Um die Nachzerfallswärme der Spaltprodukte nutzbar zu machen, ist vorgesehen, ihr Behältnis vom Bleikreislauf umfließen zu lassen. Soll stattdessen ihre radioaktive Strahlung nützliche Arbeit leisten, gibt es eine andere Möglichkeit.

Eine Strahlenquelle mit hoher Leistung (kGy/s = 1000 Gray/Sekunde; 1 Gray = 1 Joule Strahlenenergie, die in einem Kilogramm Materie absorbiert wird) vermag chemische Prozesse auszulösen, indem die energiereichen Teilchen Moleküle in reaktive Bruchstücke spalten, die sich zu neuen Molekülen verbinden. Wird beispielsweise komprimierte Luft bestrahlt, bilden sich Stickoxide und Ozon. Bestrahlung von Methan und Stickstoff erzeugt Blausäure, Kohlendioxid wird zu Kohlenmonoxid gespalten. Diese giftigen Substanzen sind in der chemischen Industrie unverzichtbare Ausgangsstoffe für die Synthese komplexer Moleküle. Ihre Erzeugung ist mit sehr hohem Energieaufwand verbunden. Die hochenegetische Kernstrahlung induziert diese Reaktionen sehr effektiv.

In der chemischen Industrie macht man sich diese Effekte bereits zunutze, allerdings mit schwachen Radionuklid-Gammaquellen und daher geringem Stoffdurchsatz. Der Speicherbehälter für die kurzlebigen Spaltprodukte eines DFR, der immerhin 30 MW an thermischer Zerfallsleistung freisetzt, vermag pro Jahr 10⁴-10⁵ Tonnen Chemikalien radiotomisch zu produzieren. Alternativ ließe sich auch ein speziell gefertigter DFR selbst nutzen: Seine noch viel höhere Strahlenintensität wäre zur Produktion großer Mengen an Chemikalien geeignet.