Werkstoffe

Conan, die Legierung



„Was ist das beste im Leben?“ „Aktinidenkerne zu spalten. Die kinetische Energie ihrer Spaltprodukte in Wärme zu wandeln und das Surren des Turbogenerators zu hören.“

„Den Reaktor kann man ja vielleicht bauen, aber er zerfällt nach wenigen Tagen zu Staub! Kein Stahl der Welt hält diese Bedingungen aus.“ Diese Aussage ist nicht selten im Internet zum Thema DFR zu lesen. Es stimmt: Die in der Nuklearindustrie für Leichtwasserreaktoren üblichen Stähle sind gewiss nicht geeignet, um längerfristig 1000 °C und härtester Neutronenstrahlung standzuhalten. Die Bedingungen in einem DFR sind ähnlich extrem wie in einem Strahl- oder Raketentriebwerk. Doch ebenso, wie es Materialien gibt, aus denen sich Triebwerksschaufeln bauen lassen, existieren Substanzen, die für den DFR geeignet sind.

Refraktärlegierungen, Keramiken, Siliziumkarbid: Die Bearbeitung dieser Werkstoffe wurde in den nichtnuklearen Industriezweigen sehr weit entwickelt. Heutzutage kann man aus ihnen gefertigte Objekte in großer Stückzahl und jeder erdenklichen Form herstellen, wobei moderne Sinter-, Schmiede- und Fügeverfahren zum Einsatz kommen.

Durch das harte Neutronenspektrum des DFR ist die Absorption in Materialien deutlich reduziert, sodass auch kleinere Anteile (etwa Legierungszusätze) von Absorbern thermischer Neutronen in Frage kommen. Zudem wird eine hohe Wärmeleitfähigkeit und Warmfestigkeit benötigt. Refraktärmetalle, ihre Legierungen und Keramiken zeichnen sich durch eine, graduell unterschiedliche, sehr hohe Widerstandsfähigkeit gegen alle erdenklichen Angriffe aus. Die schweren Refraktärmetalle haben Neutroneneinfangseigenschaften, die bei hohem molaren Anteil signifikant werden können. Bei Wolfram und Tantal ist dieser Neutronenverlust größer als bei Niob und Molybdän, während Zirkonium und Vanadium nahezu transparent sind.

Ihre außerordentliche Widerstandsfähigkeit dieser Stoffe bedeutet auch, dass sie schwer zu verarbeiten sind und im Vergleich mit Stahl sehr teuer. Doch hier vermag der DFR seine kompakte Größe auszuspielen. Nur 10% der Masse an Werkstoffen wird im Vergleich mit einem Leichtwasserreaktor pro installierter Leistung benötigt. Der Bau des Reaktors bleibt daher unschlagbar preisgünstig. Die erforderlichen Fertigungstechniken wie hochdichtes Sintering, Vakuumschweißen mit Elektronen- und/oder Laserstrahlen sind in der Industrie mittlerweile Standard. Sogar Fügetechniken für Keramiken durch Laser sind in der Entwicklung. Gegenwärtige industrielle Entwicklungen wie das 3D-Laser-Sintering erlauben es, komplette Werkstücke nach Art des Plotters auszudrucken.

Tatsächlich wurde die Tauglichkeit der Refraktärmaterialien für fortgeschrittene Reaktoren schon in der Frühphase der Kerntechnik in den 1950er und 60er Jahren bestätigt. Jedoch gab es damals noch keine ausreichenden Verarbeitungsmethoden, von den überbordenden Kosten abgesehen. Dies hat sich durch die Entwicklung in anderen Industriezweigen im Laufe der Jahrzehnte grundlegend geändert.

Siliziumkarbid für den DFR/s — und den DFR/m?



Einige Werkstücke aus Siliziumkarbid.

Für die Flüssigsalzvariante des Reaktors wird Siliziumkarbid (SiC) favorisiert. Dieser Werkstoff zeichnet sich durch einen geringen Neutroneneinfangsquerschnitt aus (er stört also die Kettenreaktion nicht nennenswert). Durch chemische Gasphasenabscheidung (CVD) hergestelltes SiC hoher Dichte ist äußerst widerstandsfähig gegenüber Bleikorrosion bei Temperaturen bis über 1000° C, sogar wenn Lithium zugegeben wird — reines Lithium zersetzt es allerdings schon bei 500° C. Bezüglich der Robustheit gegenüber Flüssigsalz sind noch experimentelle Daten zu sammeln; es wurden allerdings schon Versuche mit Natriumchlorid angestellt, welches sich chemisch ähnlich zu Uranchlorid verhält: Obwohl man eine Variante wählte, die im Vergleich mit CVD-SiC weniger stabil ist, entstanden keine Schäden bis 900° C. CVD-SiC dürfte noch günstigere Eigenschaften zeigen. Bis 1200 °C ist auch die Widerstandsfähigkeit gegen Strahlung bemerkenswert. Mikroskopische Schäden durch Strahlung und Wärmestress werden sogar von selbst repariert — entsprechend dem „Glühen“ in der Werkstoffindustrie. Für den DFR/s sollte SiC daher ein geeignetes Material sein, um die 10.000 Brennstoffröhren des Reaktorkerns herzustellen, wozu auch 3D-Druckverfahren eingesetzt werden können.

Um zu entscheiden, ob auch der Kern des DFR/m daraus gefertigt werden kann, muss noch mehr Erfahrung bezüglich der Interaktion mit flüssigem Metalleutektikum gewonnen werden; es ist allerdings gut möglich, dass der sehr robuste Werkstoff auch dies vermag. Ansonsten ist eine Keramik aus Zirkon, Titan und Kohlenstoff geeignet (ZrC-20%masseTiC). Die exzellente Neutronenökonomie des DFR/m macht es möglich, auch Werkstoffe mit etwas höherem Einfangquerschnitt zu verbauen.



Mögliche Bauweise des DFR-Kerns. Man erkennt, wie die SiC-Konstruktion von außen zusammengepresst wird, zur Erhöhung der Stabilität.

Keramikbeschichtungen — auch galvanisch aufgetragen — können darüberhinaus die Widerstandsfähigkeit von Metallen erhöhen. Dazu eignet sich besonders gut Titandiborid mit angereichertem Bor-11. Eine weitere Option sind neuartige faserverstärkte Keramiken, bei welchen die ungünstige Sprödigkeit der Keramik durch eingebackene Fasern stark gemindert wird. Solcherart entsteht ein Werkstück mit der Widerstandsfähigkeit der Keramik und den elastischen Eigenschaften von Hartmetallen, analog zu kohlefaserverstärktem Kunststoff oder armiertem Stahlbeton. Ein für den Reaktor geeignetes Beispiel ist Siliziumkarbid mit Kohlefasern, was zudem die niedrigste Neutronenabsorption hat. Alternativ kann auch monolithisches Siliziumkarbid mit seiner besonders hoher Druckfestigkeit und Korrosionsbeständigkeit durch ein äußeres Metallkorsett stark zusammengedrückt werden, um Schäden durch Scherungen zu unterbinden.

Das Motto hinter der Entwicklung des DFR könnte lauten: Kernkraft neu denken! Es handelt sie um eine völlige Neukonzeption eines Reaktors — daher müssen die eingefahrenen „Stahl und Wasser“-Denkschienen der Nuklearindustrie verlassen werden. Die im industriellen Einsatz bewiesenen Fähigkeiten der durablen Materialien lassen sich nun in der Kerntechnik nutzen. Selbstverständlich sind im Zuge der Entwicklung auch in Hinblick auf Genehmigungsbehörden erneute, umfangreiche Materialtests als Qualitätsnachweis erforderlich.