Wie lange reichen Uran und Thorium?

Endliche und unendliche Ressourcen?



Fernste Zukunft des Sonnensystem: Die Sonne ist zum Roten Riesen angewachsen. (Wikimedia Commons)

Bei Energiediskussionen tauchen häufig die Begriffe „endlich“ und „unendlich“ auf, in dem Sinne, dass Primärenergiequellen, die aus der Erdkruste entnommen werden müssen — fossile Brennstoffe und Kernbrennstoffe — als mengenmäßig begrenzt und deshalb über kurz oder lang erschöpfbar angesehen werden; das Licht, das von der Sonne zu uns kommt, die Gezeitenenergie des Mondes und die Wärme aus dem Erdmantel gelten dagegen als unendlich.

Dies stimmt natürlich nicht. Die Sonne hat eine endliche Masse und damit endliche Lebensdauer, ebenso klingt die Freisetzung von Erdwärme allmählich ab und auch die Gezeiten verschwinden in dem Maße, wie der Mond sich von der Erde entfernt und sein Umlauf sich allmählich in doppelt gebundene Rotation (wie bei Pluto und Charon) umwandelt.

Die Frage, die wir also stellen müssen, lautet: Wie lange reichen Uran und Thorium im Vergleich mit der Solarenergie; oder, noch präziser: mit der Zeitspanne, die vergeht, bis die Erde durch allmähliche Leuchtkraftzunahme der Sonne unbewohnbar wird (ca. 1 Milliarde Jahre).

Uranquellen

Das einzige fissile Nuklid, das auf der Erde in größerer Menge natürlich vorkommt, ist U-235. Es macht 0.7% des Natururans aus, fast der gesamte Rest ist U-238, das nicht leicht gespalten werden kann. Es kann jedoch durch Neutroneneinfang in Pu-239 transmutiert werden, wodurch es zur Energiequelle wird. Dies leisten Brutreaktoren wie der DFR, die verbreiteteren Leichtwasserreaktoren nutzen es nur zu geringem Anteil. Sie setzen nur 0.7% des Energiegehaltes des Urans frei: Dass sich selbst eine so geringe Ausbeute lohnt, zeigt, wie gewaltig die in Kernen gespeicherten Energiemengen sind.

Die folgenden Betrachtungen gehen davon aus, dass der DFR eine wesentliche Stütze der Energieversorgung wird — dass also der komplette Brennwert von Natururan und Thorium nutzbar gemacht wird. Eine Tonne Schwermetall entspricht ca. 1 Gigawattjahr Elektrizität bzw. 3 Gigawattjahren thermische Energie. Gehen wir großzügig davon aus, dass die Weltbevölkerung sich zukünftig bei 20 Milliarden stabilisiert und dass jeder im Zeitmittel 20 kW Primärenergie aufnimmt (entsprechend den energiehungrigsten Ländern heutzutage, z. B. Saudi-Arabien). Der Weltverbrauch liegt dann bei 4 * 1014 W bzw. 400.000 Gigawatt. Hierzu müssen jährlich 130.000 Tonnen Kernbrennstoff angeschafft werden. Welche Quellen stehen zur Verfügung und wie lange reichen sie?

Konventionelle Ressourcen

Zwei Millionen Tonnen Uran sind bereits in Form von Atommüll und abgereichertem Uran vorrätig: sie können den oben angenommenen Energieverbrauch 15 Jahre lang stillen.

Die IAEA bestimmt die Uranressourcen, die mit momentan vorhandener Technik bei einem Preis von bis zu 260 Dollar pro kg abgebaut werden können, zu rund 7 Mio t (identified resources). Zusätzlich vermutet man anhand geologischer Daten, dass weitere 10 Mio t. existieren, die jedoch noch entdeckt werden müssen (speculative resources).

Man sollte sich klarmachen, dass der Preis von Atomstrom eine ganz schwache Funktion des Uranpreises ist! Selbst wenn wir das “obere Ende” des von der IAEA betrachteten Preisbereichs nehmen (260 Dollar pro kg) und ineffiziente Leichtwasserreaktoren einsetzen, trägt der Brennstoffpreis zum Strompreis pro kWh nur etwa ein halbes Cent bei; beim DFR ca. ein Hundertsechzigstel dieses Betrags — völlig vernachlässigbar. Es stellt daher kein Problem dar, auch schwer zugängliche Ressourcen geringer Konzentration miteinzubeziehen: die abgeschätzten 17 Mio. t reichen ca. 130 Jahre. Doch dies ist noch lange nicht das Ende der Fahnenstange. Ob man ein bestimmtes Mineral als „Erz“ ansieht oder als „Stein“ hängt einfach davon ab, ob man die enthaltene Konzentration des gewünschten Elements als abbauwürdig betrachtet oder nicht. Im Gegensatz zu fossilen Brennstoffen, die nur an bestimmten Orten zu finden sind, enthält jedes Feldei, jeder Eimer Gartenerde Uran und Thorium in geringer Konzentration. Die geringe Abhängigkeit des Strompreises vom Brennstoffpreis erlaubt die Nutzung unkonventioneller Uranquellen mit niedrigem Gehalt aber großer Gesamtmenge. Die Extraktion von Uran aus Phosphaten wurde bereits in den 1990ern erfolgreich großtechnisch durchgeführt: In dieser Form stehen weltweit rund 22 Mio. t zur Verfügung, was unsere Ressourcen um weitere 170 Jahre streckt. Insgesamt sind wir nun bei immerhin 315 Jahren, entsprechend der Dauer vom Anfang des 18. Jahrhunderts (noch vor der industriellen Revolution) bis heute.

Dies genügt bereits vollauf, um den DFR zu einer sehr nützlichen Energiequelle zu machen. Die Annahme, dass wir bis in fernste Zukunft ein- und dieselbe Technologie einsetzen werden — im Sinne der „Nachhaltigkeit“ auf einem bestimmten Entwicklungsniveau stehenbleiben und uns nicht weiterentwickeln — ist gänzlich unrealistisch! Vor 315 Jahren gab es noch keine Kernreaktoren, keine Flugzeuge, Autos, Züge, Computer, Raumschiffe, selbst die Dampfmaschine war eine experimentelle Technologie, die noch auf ihren großtechnischen Einsatz wartete. Im Jahr 2333 wird der DFR als altmodisch gelten; die Kraftwerke werden vielleicht Teil von Freilichtmuseen sein, in denen das „Leben in alter Zeit“ gezeigt wird. Die Energieversorgung wird auf Palmstroem-Rienzi-Etyminoverstärkern beruhen oder einer einer anderen Zukunftstechnik, die heute noch unbekannte Naturgesetze nutzbar macht.

Wasser und Steine

Doch setzen wir unsere Extrapolation als geistige Übung fort, selbst wenn wir uns dabei ein wenig wie ein römischer Ökonom vorkommen, der errechnet, dass im Jahr 2000 Brennholz und Pferdefutter verknappen und die Zivilisation deshalb zusammenbrechen wird…

Durchschnittliches Krustengestein enthält Uran mit einer Konzentration von 1-3 ppm: 1 bis 3 g pro Tonne Schotter, Schmutz oder Gartenerde. Dies entspricht einer freisetzbaren thermischen Energie von 80-240 MJ pro Kilogramm. Gewöhnliche Felsen haben durch ihren Urananteil einen bis zu 8 mal höheren Energiegehalt als Steinkohle! Nimmt man die Schmelzwärme von Silizium (das nach Sauerstoff zweithäufigste Element in der Erdkruste) von 1.8 MJ/kg als Schätzwert für die zum Extrahieren des Urans benötigte Energie, so sieht man, dass sich ein bis zu einhundertfacher Energieüberschuss erzielen lässt. Selbst wenn die zur Isolation des Urans aus der Schmelze nötigen Arbeitsgänge noch beträchtliche weitere Energiemengen aufnehmen, sollte es mühelos möglich sein, den Gesamtprozess exotherm ablaufen zu lassen – insbesondere, wenn zusätzlich zum Uran noch das viermal häufigere Thorium genutzt wird, wodurch das Verhältnis von freisetzbarer Kernenergie zu Schmelzwärme auf bis zu 500 anwächst.

Bei durchschnittlich 10 g Aktiniden pro Tonne Mineral müssen jährlich 1.3 * 1010 t Krustenfels abgebaut werden, bzw. 400 Tonnen pro Sekunde, größenordnungsmäßig entsprechend der heutigen Kohleförderrate. Die Masse der Kontinentalkruste liegt bei insgesamt 1.6 * 1019 t — eine Ressource für über eine Milliarde Jahre.

Natürlich wird man nicht sämtliche Landflächen unter den Schaufelradbagger nehmen wollen, vor allem, da die Natur bereits effiziente Bagger mit Solarantrieb bereithält: die Flüsse, die jährlich 30.000 t Uran abschleifen und in die Meere einspülen, in denen sich im Gleichgewicht von Einspülung und Sedimentation eine Konzentration von 0.003 ppm (jeweils 3 Milligramm pro Tonne Wasser) eingependelt hat, bzw. 4.5 Milliarden Tonnen Uran in allen Weltmeeren insgesamt. Thorium findet sich im Meer allerdings keines, da seine Verbindungen nicht wasserlöslich sind.

Japanische Wissenschaftler haben vielversprechende Techniken entwickelt, um das sehr stark verdünnte Uran mithilfe von Fasern auf Amidoximbasis herauszufiltern.

Im ersten Experiment wurden drei Absorberbetten, die zusammen 350 kg Absorptionsmaterial enthielten, übereinander in 20 Metern Tiefe ins Wasser gehängt (7 km vor Mutsu-Sekine in der Präfektur Aomori). Die Absorber nahmen in Laufe von 30 Tagen jeweils 0.5 g Uran pro kg Absorptionsmaterial auf. Im Laufe des insgesamt 240 Tage laufenden Experiments konnte so rund ein kg Uran aufgesammelt werden.

Doch die Technik konnte noch entschieden verbessert werden: Um den Prozess einfacher und effizienter zu gestalten, fertigte man aus dem Absorptionsmaterial Bänder, die am Meeresboden verankert wie Wasserpflanzen aufrecht standen und von den Strömungen umspült wurden. Mit dieser Technik konnte eine Aufnahme von 1.5 – 2 g Uran pro kg Absorber in 30 Tagen erreicht werden: Dies lag teilweise an dem besseren Kontakt zwischen Absorber und Wasser, aber auch an der höheren Wassertemperatur des Versuchsortes vor Okinawa, da diese die Effizienz der Aufnahme steigert.

Lässt sich dieser Prozess industriell hochskalieren? Eine entsprechende Versuchsanlage ist bereits angedacht: Geplant ist, ein Meeresareal von ca. 1000 Quadratkilometer (15.2 km x 67.8 km) mit den unter Wasser stehenden Bändern zu “bepflanzen” – jedes davon 60 m lang und mit 8 m Abstand zwischen den Bändern – so dass eine Uranfarm entsteht, die pro Jahr 1200 t einsammelt.

Wird das Uran weniger rasch extrahiert, als die Flüsse es einschwemmen, stabilisiert sich die Konzentration bei einem niedrigeren Wert und der Prozess kann äonenlang aufrechterhalten werden, bis fast das gesamte Uran in der Erdkruste aufgebraucht wurde. Ist die Extraktionsrate größer als 30.000 t/Jahr, fällt die Konzentration im Meer allmählich auf Null. Bei 130.000 t/Jahr lässt sich diese Energiequelle 36.000 Jahre lang nutzen — entsprechend der Zeitspanne von der Altsteinzeit bis heute.

Dies sind nette Rechenübungen, für die zukünftige Energieversorgung werden sie kaum Relevanz haben. Weder haben wir die Anschaffung von Kernbrennstoffen von anderen Himmelskörpern (der Mond könnte z. B. eine gute Thoriumabbaustätte sein) noch die technischen Innovationen und Erfindungen kommender Jahrhunderte berücksichtigt. Es genügt, festzuhalten: Der DFR vermag Energie über Zeiträume zu liefern, die das Alter der menschlichen Zivilisation um ein Vielfaches übertreffen! Seine Rolle wird nicht darin bestehen, für immer und ewig im Einsatz zu bleiben, sondern den EROI und damit die Produktivität unserer Industrie sehr stark zu steigern, damit weitere Entwicklungen möglich werden, hin zu neuen Energiequellen mit noch höherem EROI, neuen Entdeckungen und Möglichkeiten.