Szenarien

Einige Unfallszenarien

Was, wenn ein DFR-Kraftwerk von Zwischenfällen wie in Fukushima oder Tschernobyl getroffen wird? Im Folgenden sollen einige derartige hypothetische Ereignisse untersucht werden.

Three Mile Island: Ausfall der Sekundärkühlung



Kernkraftwerk Three Mile Island (Quelle). Links das seit 1979 abgeschaltete Aggregat.

Am 28. März 1979 blieben sämtliche Pumpen des Sekundärkreislaufs des Reaktors TMI-2 stehen, da beim Versuch, einen Filter zu reinigen, eine geringe Wassermenge ausgetreten war und ein Messgerät beschädigt hatte. Obwohl der Temperaturanstieg im Kern die Reaktorschnellabschaltung (RESA) auslöste, produzierten die Spaltprodukte weiterhin Wärme. Ein Überdruckventil oben im Druckgefäß öffnete sich — und konnte aufgrund eines mechanischen Schadens nicht wieder geschlossen werden. Kühlwasser entwich, der Reaktor überhitzte, wurde teilweise zerstört. Zu bedenklichen Radioaktivitätsfreisetzungen kam es nicht.

Fällt bei einem DFR die Wärmeentnahme via Dampfkreislauf fort, reduziert der Reaktor die Spaltrate durch den Thermostateffekt sofort auf nahezu Null. Die Nachzerfallswärmeproduktion im Kern ist gering (da die Spaltprodukte ständig ausgefiltert werden); führt sie dennoch zum Überschreiten der Solltemperatur, lassen die Sicherheitsstopfen die Brennstoffflüssigkeit in die Auffangtanks strömen.

Fukushima: Ausfall der Primärkühlung



Sperrzone wegen erhöhter Strahlung in Kashiwa (2012).

Am 11. März 2011 wurden die Druckwasserreaktoren des Kraftwerks Fukushima Daiichi nach dem Tohoku-Erdbeben abgeschaltet. Der folgende Tsunami zerstörte jedoch die Dieselaggregate, die die Kühlpumpen mit Strom versorgten. Nach Aufbrauchen der Batterien konnten die Pumpen nicht mehr betrieben werden und die Reaktoren überhitzten, ähnlich TMI-2, durch ihre Nachzerfallswärme. Die Hitze führte zur Aufspaltung des Wassers zu Knallgas, welches, mangels Wasserstoffrekombinatoren, Explosionen auslöste, die die Reaktorgebäude schwer beschädigten, was die Freisetzung größerer Mengen an Radiotoxika zur Folge hatte.

Ebenso wie der Wegfall der Wärmesenke lässt das Versagen der Bleipumpen die Spaltrate eines DFR auf Null sinken. Anschließend genügt die natürliche Konvektion des Kühlmittels, um die Nachzerfallswärme abzuführen. Wasser findet sich nirgendwo in der Nähe des Reaktorkerns, weswegen Dampf- oder Knallgasexplosionen nicht vorkommen.

Tschernobyl



Der zerstörte Reaktor in Tschernobyl im Jahr 2006 mit „Sarkophag“.

Am 26. April 1986 testete man am Block 4 des Kernkraftwerks Tschernobyl, ob die auslaufende Turbine die Kühlpumpen mit hinreichend Leistung zu beliefern vermochte, um die knappe Minute zu überbrücken, die die Dieselgeneratoren benötigten, um auf Touren zu kommen. Aufgrund von Bedienfehlern befand sich der Reaktor zum Zeitpunkt des Experiments in einem instabilen Zustand; als die von der Turbine erzeugte Leistung abnahm (und die Pumpgeschwindigkeit somit sank), löste dies zusammen mit den positiven Temperatur- und Dampfblasenkoeffizienten des RBMK-Reaktors eine massive Leistungsexkursion aus. Komplette Zerstörung des Reaktors und massive Radioaktivitätsfreisetzung folgten.

Unter den drei größten zivilen Nuklearunfällen ist das Tschernobyl-Szenario am wenigsten auf den DFR übertragbar. Weder hat der DFR Steuerstäbe, wodurch die Bedienfehler, die den RBMK instabil werden ließen, gar nicht erst auftreten können, noch sind in dem sich ständig selbst stabilisierenden Flüssigbrennstoffreaktor große Leistungsexkursionen möglich. Tschernobyl hat mit westlichen Leichtwasserreaktoren wenig zu tun, mit dem DFR noch viel weniger.

Weitere Unfallszenarien

  • PPU-Fehler: Einregeln einer zu hohen Solltemperatur durch Überdosierung der Spaltstoffe. Die Temperatur, die sich im Reaktor einstellt, ist eine Funktion der Konzentration spaltbarer Nuklide in der Flüssigkeit. Würde die PPU aufgrund eines internen Fehlers diese Konzentration zu stark erhöhen, wäre ein Temperaturanstieg die Folge — wodurch die Schmelzstopfen ausgelöst und die Flüssigkeit in die unterkritischen Auffangtanks strömen würde.
  • Austritt von Brennstoffflüssigkeit. Durch Beschädigung der PPU oder der Verbindungsröhren könnte flüssiges Salz oder Aktinidenschmelze aus dem Kreislauf austreten. Dies ist gewiss nicht zu wünschen und würde eine aufwändige Dekontaminierung der betroffenen Räume erfordern. Eine Katastrophe mit Entweichen von Radioaktivität in die Umwelt wäre es jedoch nicht. Der Beton zur Verbunkerung der Anlage ist nämlich mit Bor versetzt: Dieses wirkt als Neutronenabsorber und unterdrückt das Entstehen einer Kettenreaktion — welches ohnehin nicht wahrscheinlich ist, da die Flüssigkeit ja eine flache Pfütze bilden würde, aus der die Neutronen mit hoher Wahrscheinlichkeit entweichen, ohne Kerne zu spalten.
  • Bruch der Brennstoffröhren im Reaktorkern. Die Frage, was geschieht, wenn Blei und Brennstoff sich ungünstigerweise vermischen, wird oft gestellt. Die Bedienmannschaft (oder eine entsprechende Automatik) würde sofort den Reaktor stoppen, indem die Kühlung für die Schmelzstopfen abgeschaltet wird, so dass die Flüssigkeit in die Auffangtanks strömt. Gewisse Mengen an Salz oder Aktinidenschmelze würden natürlich dennoch in den Bleikreislauf gelangen, und sich in ihm oben (Salz) bzw. unten (Metallschmelze) ansammeln. Auch hier käme es zu keiner Kettenreaktion außerhalb des Reaktors, da die Flüssigkeit zu einem Gebilde mit großer Oberfläche auseinanderflösse. Das umgebende Blei bildet einen sehr guten Strahlenschutz. Ebenso wie beim vorangehenden Punkt wären aufwändige Dekontaminierungen und Reparaturen erforderlich, zu Radionuklidfreisetzung käme es dennoch nicht.
  • Völlige Zerstörung des Reaktors. Falls der DFR — durch welche Einwirkung auch immer — gänzlich zertrümmert werden würde, würden Blei, Brennstoff und geborstene Materialien einen halb flüssigen, halb festen, radioaktiven Trümmerhaufen am Boden des Reaktorraumes bilden. Dieser wäre schwer zu entfernen: Man müsste ihn zunächst auskühlen und abklingen lassen, dann ließe sich das Stoffgemisch mit Robotern oder Teleeffektoren herausfräsen. Ein kostenspieliger Totalschaden! Außerhalb des Reaktorgebäudes käme es auch hier zu keinen Problemen (ausgenommen finanzielle Probleme der Betreiberfirma). Die Abwesenheit von leichtentzündlichen Substanzen (Graphit) oder solchen mit hohem Dampfdruck (Wasser) stellt einen enormen Sicherheitsvorteil gegenüber heute verbreiteten Leistungsreaktoren dar.


  • Bunkerbrechende Waffe GBU-57 (USA).
  • Militärischer Angriff. Um den Reaktorbunker aufzubrechen und das radioaktive Inventar herauszuschleudern, müsste die angreifende Armee zunächst ein schweres Geschoss mit hoher Penetrationskraft und anschließend eine Bombe mit massiver Sprengwirkung (e.g. Fuel-Air-Explosives oder nukleare Bunkerbrecher) einsetzen. Welchen Vorteil der feindliche General sich davon verspricht, Gelände, das er mit seinen eigenen Truppen zu besetzen gedenkt, radioaktiv zu verseuchen, sei dahingestellt. (Terroristen sind nicht fähig, sich derartige Waffen zu verschaffen.) Fakt ist, dass ein in einen derart skrupellos geführten Krieg verwickeltes Land größere Sorgen hat, als dass ein gewisses Areal ohne Dekontamination für eine gewisse Zeit nicht mehr begehbar ist. Nebenbei sinkt mit der Abhängigkeit von fossilen Brennstoffen auch das Kriegsrisiko, ebenso wie preisgünstige Meerwasserentsalzung mittels DFR geeignet ist, zukünftigen Wasserkriegen vorzubeugen. Sämtliche militärische Konflikte nach dem Zweiten Weltkrieg fanden entweder in wirtschaftlich schwach entwickelten Regionen statt oder aber hatten zumindest indirekt mit dem Zugang zu Erdöl zu tun. Der DFR könnte somit ein wichtiges Instrument zur Friedenssicherung werden.
  • Entweichen volatiler Spaltprodukte im Containment. Spaltgase, die innerhalb des Reaktorbunkers austreten — beispielsweise aus der PPU —, werden von den Lüftungsfiltern gebunden. Die Edelgase Krypton und Xenon vermögen zwar durch die Filter zu entweichen, sind jedoch strahlenbiologisch unbedenklich.