Was ist der DFR?

Eigenschaften des Reaktors

Der Dual-Fluid-Reaktor (DFR) unterscheidet sich von einem herkömmlichen Leichtwasserreaktor ebenso stark wie ein Düsenflugzeug von einem Zeppelin. Aber worin genau bestehen diese Unterschiede? Zentraler Gedanke bei der Entwicklung war, eine Energiequelle zu konstruieren, die für den zivilen Einsatz in Ballungsgebieten und Industriezentren geeignet ist:



Entwicklung der Technik…
  • Inhärente Sicherheit: Die Naturgesetze sorgen dafür, dass ein Super-GAU unmöglich wird. Ebenso, wie ein Eimer Wasser in der Antarktis nicht plötzlich zu sieden anfangen kann, ist ein DFR unfähig, Fukushima- oder Tschernobyl-Szenarien hervorzurufen.
  • Recycling des Atommülls: Der DFR zerstört sowohl seine eigenen Abfälle wie die der alten Kernkraftwerke. Übrig bleiben nur Spaltprodukte, die nach maximal 300 Jahren kaum noch radioaktiv sind. Die Suche nach einem Endlager für geologische Zeitspannen wird damit gegenstandslos.
  • Sehr hohe Effizienz: Alle Kernbrennstoffe sind mit maximaler Energieausbeute nutzbar! Atommüll, abgereichertes Uran, Natururan, Thorium, Plutonium, u.v.a. lassen sich im DFR einsetzen. Dadurch erhält man eine Energiequelle, die so lange reicht, bis die Sonne zum Roten Riesen wird.
  • Minimale Kosten: Der DFR ist der kompakteste Kernreaktor mit dem geringsten Aufwand an Material, Arbeitsstunden und Geld.
  • Hohe Arbeitstemperatur: Dies macht nicht nur die Stromerzeugung sehr effizient (60% Wirkungsgrad), sondern ermöglicht auch viele Prozesswärmeanwendungen — z.B. Meerwasserentsalzung oder Herstellung erdölfreier Kraftstoffe. Dadurch kann Kernenergie endlich den kompletten Primärenergiebedarf decken, einschließlich Antrieb von Autos, Flugzeugen, Heizungen, etc.

Utopie oder reale technische Möglichkeit? Lesen Sie im Folgenden, wie der Reaktorkern konzipiert und was die physikalische Basis obengenannter Eigenschaften ist.

Das Dual-Fluid-Prinzip

Auf die grundlegende Idee reduziert, lässt sich das Dual-Fluid-Prinzip folgendermaßen skizzieren:



Die beiden Flüssigkeitsschleifen des DFR, aufs Einfachste reduziert: Brennstoff (gelb) und Kühlmittel (blau). In der verdickten Region findet die Kettenreaktion statt.

Zwei Flüssigkeitskreisläufe durchdringen sich: Brennstoff- und Kühlschleife. Erstere enthält geschmolzene Kernbrennstoffe, letztere flüssiges Blei. Die Brennstoffschleife erweitert sich dort, wo sie von der Kühlschleife umströmt wird. Volumen und Form der Verdickung sind so gewählt, dass der Kernbrennstoff in dieser Region kritisch wird: Eine Kettenreaktion setzt ein und erzeugt Energie, die die Kühlschleife abführt.

Eine kugel- oder zylinderförmige Ausweitung der Rohrleitung wäre zwar an sich bereits geeignet, um eine Kettenreaktion auszulösen, aber die erzeugte Wärme ließe sich aus ihr nicht in erforderlichem Maße abführen. Stattdessen wird die Leitung zu einem Gitter von 10.000 dünnen Rohren aufgefächert, welches sich innerhalb des strömenden Bleis befindet. Es ergibt sich folgende Konstruktion:



Der DFR-Kern im Detail: Flüssiges Blei umspült die Brennstoffrohre, durch die geschmolzenes Salz oder Metall strömt.

Jede der beiden Flüssigkeiten leistet das, was sie besonders gut kann — die eine setzt Energie frei, die andere transportiert sie zum Abnehmer: Dadurch entsteht ein Reaktor äußerst hoher Effizienz.

DFR im Überblick



Größe eines 1.5 GW-DFR (elektrisch) relativ zu einem Menschen. Bei laufendem Reaktor sollte dort natürlich niemand stehen!

Der DFR ist ein Schnellspaltreaktor mit flüssigem Brennstoff und separater Kühlschleife mit flüssigem Blei: Daher der Name „Dual-Fluid“ — zwei Flüssigkeiten.

Eine seiner wichtigsten Eigenschaften ist die geringe Größe — nebenstehende Grafik zeigt einen 1.5 GWel-DFR relativ zu einem Menschen. Bis zu mehrere Gigawatt thermische Leistung werden in einem Volumen von wenigen Kubikmetern freigesetzt. Dies ermöglicht sehr preiswerte Herstellung und sichere Unterbringung in einem unterirdischen Betonbunker. Um die hochkompakte Bauweise zu ermöglichen, muss eine Brennstoffflüssigkeit mit möglichst hoher Konzentration an Spalt- und/oder Brutstoffen eingesetzt werden: Unverdünntes Aktinidenchlorid oder metallische Aktinidenschmelze. Es gibt daher zwei mögliche Bauweisen — DFR/s mit Salz und DFR/m mit flüssigem Metallbrennstoff. Der DFR/m weist eine noch höhere Leistungsdichte auf als der DFR/s.

Die Betriebstemperatur eines DFR liegt bei 1000 °C. Dadurch wird zum einen sehr effiziente Stromerzeugung möglich, zum anderen lässt sich der Reaktor auch als Prozesswärmequelle für Industriebetriebe nutzen: Kraftstoffsynthese, Meerwasserentsalzung, Betonherstellung, Petrochemie und einiges mehr.



Funktionsschema des DFR mit Brennstoff- und Kühlschleife, Wärmetauscher und PPU (Brennstoffaufarbeitung).

Als Schnellspaltreaktor kann der DFR wahlweise als Brüter, Atommüllvernichter oder Transmutationsmaschine arbeiten. Jedes radioaktive Schwermetall, das man in seine Brennstoffschleife einbringt, wird entweder direkt gespalten oder durch Neutroneneinfang in ein Isotop umgewandelt, welches spaltbar ist. Soll gebrütet werden, muss der DFR/s außen noch zusätzlich mit einem Brutmantel umgeben werden, welcher fertiles Material (Uran 238 oder Thorium 232) enthält. Beim DFR/m ist Brut in der Brennstoffflüssigkeit selbst möglich.

Der flüssige Brennstoff dehnt sich bei Erwärmung stark aus, bei Abkühlung zieht er sich entsprechend zusammen: Dies ermöglicht einen sehr großen negativen Temperaturkoeffizienten, durch den sich die thermische Leistung stets an die entnommene Leistung anpasst — mechanische Kontrollelemente wie Steuerstäbe sind daher unnötig.

Falls dennoch aus irgendwelchen Gründen der Reaktor seine Solltemperatur stark überschreitet, lösen sich Schmelzstopfen unten in der Brennstoffschleife auf, und die Flüssigkeit strömt in unterkritische Auffangtanks. Unfälle wie in Fukushima werden durch die Naturgesetze unterbunden!

Warum zwei Flüssigkeiten?

Kernreaktoren mit flüssigem Brennstoff haben viele Vorteile: Die Aufarbeitung kann „on-site“ und „on-line“ durchgeführt werden, d.h. direkt neben dem Reaktor auf dem Kraftwerksgelände in laufendem Betrieb, so dass die Stillstandszeiten sehr gering ausfallen. Radioaktive Spaltprodukte werden kontinuierlich extrahiert — Nachzerfallswärmeunfälle wie in Fukushima oder Three Mile Island kommen nicht vor. Darüberhinaus schützen Schmelzsicherungen den Reaktor vor Überhitzung.

Dies war Kerntechnikern schon bald nach Bau der ersten Leistungsreaktoren klar, weswegen Flüssigbrennstoffreaktoren bereits in den 1960ern von Alvin Weinberg und seinem Team am Oak Ridge National Laboratory getestet wurden. Man nutzte dabei ein- und dieselbe Flüssigkeit als Brennstoff und Kühlmittel. Auch alle modernen Flüssigkernreaktorkonzepte außer dem DFR beruhen auf einer Flüssigkeit (MSR: Molten Salt Reactor, mit geschmolzenem Salz). Diese Doppelfunktion erfordert allerdings ungünstige Kompromisse.



Größenvergleich: 1.5 GWel-DFR vs. 1 GWel-MSR. Der DFR kann bei höherer Leistung deutlich kompakter (und unter geringerem Materialeinsatz) gebaut werden.

Keine Substanz taugt gleichermaßen zum Transport von Brennstoff wie zum Kühlen. Flüssiges Salz kann zwar viel Wärme aufnehmen, aber die Wärmeübertragung ist zu langsam. Damit der Reaktor nicht überhitzt, muss der Brennstoff künstlich verdünnt werden. Dies wiederum reduziert die Leistungsdichte, so dass MSRs viel größer und teurer zu bauen sind als leistungsgleiche DFRs. Hochwertige, temperaturbeständige Strukturmaterialien kommen bei der Größe nicht in Frage, so dass die für Prozesswärmeanwendungen optimale Temperatur von 1000 °C mit einer einzigen Flüssigkeit nicht realisierbar ist.

Die Lösung besteht im Dual-Fluid-Prinzip: Je eine Flüssigkeit für Brennstoff und eine andere für die Kühlung, so dass beide Kreisläufe getrennt optimiert werden können. Verwendet man z.B. Flüssigsalz als Brennstoff und Blei als Kühlmittel, so muss das Salz nicht mehr verdünnt werden.

Als hochtemperaturfähige Brennstoffflüssigkeit dienen unverdünnte Chlorsalze oder Metallschmelzen (siehe oben). Blei mit hoher Wärmeleitfähigkeit ist als Kühlmittel optimal. Es kann mit magnetohydrodynamischen Pumpen umgewälzt werden — ohne bewegte Teile, so dass kaum Verschleiß auftritt. Blei ist ferner ein exzellenter Neutronenreflektor, mit sehr geringen Einfangquerschnitt und, dank hohen Atomgewichts, kaum vorhandener Moderationswirkung (Abbremsung der Neutronen durch Stöße).

Die Umlaufgeschwindigkeit der Brennstoffschleife wird an den jeweiligen Betriebsmodus angepasst: Erbrüten von Spaltstoff, Vernichtung von Atommüll, Transmutation langlebiger Spaltprodukte. Für das Chlor sollte das Isotop Chlor 37 in hochreiner Form genutzt werden, da das häufigere Chlor 35 durch Neutroneneinfang in das langlebige Radioisotop Chlor 36 transmutiert wird.

Brennstoffe



Die größten Öltankschiffe (hier die Abqaiq) enthalten bei maximaler Zuladung ca. 1 Gigawattjahr an Brennwert. Dies entspricht dem Energiegehalt eines Bierkastens voll Uran oder Thorium!

Atommüll, abgereichertes Uran, Natururan, Thorium: Der DFR kann prinzipiell jedes Isotop mit Atomgewicht größer oder gleich 232 (Thorium) als Energiequelle nutzen. Dafür sorgen das harte Neutronenspektrum und die integrierte Aufarbeitungsanlage, die Pyrochemische Prozesseinheit (Pyrochemical Processing Unit; PPU). Ein Reaktorblock mit 1 Gigawatt elektrischer Leistung verbraucht pro Jahr ca. 1.2 Tonnen dieser Stoffe (sog. Aktinide), entsprechend dem Volumen eines Bierkastens. Zum Vergleich: Ein Kohlekraftwerksblock verbrennt 10.000 Tonnen Kohle pro Tag!

Manche Nuklide können direkt gespalten werden: z. B. Uran 235 und Plutonium 239. Andere, so wie Uran 238 (Hauptbestandteil von Natururan) oder Thorium 232, müssen erst durch Neutroneneinfang in spaltbare („fissile“) Stoffe transmutiert werden.

Leichtwasserreaktoren greifen knapp 1% des Energiegehaltes von Uran ab, der DFR dagegen fast 100%. Schon beim LWR ist der Strompreis eine sehr schwache Funktion des Uranpreises, da pro Jahr nur 160 Tonnen angeschafft werden müssen; beim DFR, der jährlich 1.2 Tonnen benötigt, ist sein Einfluss gänzlich vernachlässigbar. Damit lohnt sich ökonomisch auch die Nutzung unkonventioneller Quellen mit niedrigem Uran- (oder Thorium-)gehalt: Selbst das Herausfiltern aus Gartenerde, Schotter oder Meerwasser wäre mit positiver Energiebilanz möglich. Dadurch werden die Ressourcen auf Jahrmilliarden ausgedehnt: Der DFR ist die billigste erneuerbare Energiequelle.

Ultimative Sicherheit: Schmelzstopfen

Die inhärenten Sicherheitseigenschaften des DFR machen es schwierig bis unmöglich, ein Szenario zu konstruieren, in welchem die Reaktortemperatur über den Sollwert hinaus ansteigt. Denkbar wäre ein gänzlicher Zusammenbruch der Kühlkette (einschließlich der Wärmeabgabe an die Umgebung) bei Volllastbetrieb oder ein technischer Fehler in der PPU (Pyrochemische Prozesseinheit), der die Spaltstoffkonzentration in der Brennstoffflüssigkeit stark erhöht.

In derartigen Fällen treten die Schmelzstopfen in Aktion. Unten im Kreislauf befinden sich Verschlüsse aus gefrorenem Brennstoff, welche ständig durch ein bei Maximalleistung laufendes Kühlaggregat am Schmelzen gehindert werden. Bei Überschreitung einer bestimmten Temperatur lösen sie sich somit zwangsläufig auf. Die Brennstoffflüssigkeit fließt dann, der Schwerkraft folgend, in Auffangtanks, deren Größe und Form eine Kettenreaktion unmöglich machen. Sie sind in gut wärmeleitendes Material eingebettet, so dass die Nachzerfallswärme passiv abgeführt wird.

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