Atommüll

Was ist Atommüll?

Als umgangssprachliches Wort für radioaktive Reststoffe bezeichnet „Atommüll“ jegliche Abfallprodukte mit erhöhter Radioaktivität. Nicht alle davon stammen aus Kernkraftwerken: Auch Industrie, Bergbau, Ölförderung, Forschung und Medizin hinterlassen mehr oder weniger stark strahlende Reststoffe. Man unterscheidet je nach Intensität der Strahlung (gemessen in Becquerel; 1 Bq = 1 Zerfall/Sekunde):

  • Hochaktiver Abfall: > 1014 Bq/m³, typisch sind 5 * 1015 — 5 * 1017 Bq/m³. Kühlung und Abschirmung sind nötig.
  • Mittelaktiver Abfall: 1010 — 1015 Bq/m³, Abschirmung nötig, Kühlung nicht immer.
  • Schwachaktiver Abfall: < 1011 Bq/m³, Abschirmung und Kühlung unnötig.


Atommüll in Berlin. Das Gesamtvolumen entspricht ca. dem eines etwas kleineren Hochhauses, von diesem wiederum ist nur ein geringer Anteil stark radioaktiv (Spaltprodukte) bzw. langlebig, aber immer noch hinreichend kurzlebig, um substantielle Strahlendosen zu erzeugen (Transurane). Das Volumen beinhaltet noch die Verpackung (Brennelemente). Der eigentliche Metalloxidinhalt ist deutlich kleiner, wodurch sich die Kantenlängen etwa halbieren.

Nach Schätzungen des Bundesamts für Strahlenschutz werden gegen 2040 nur ca. 2% aus mittel- und schwachaktivem Atommüll stammen, 98% aus hochaktivem, unter diesem vor allem aus den bestrahlten Brennelementen der Leichtwasserreaktoren.

Der Leichtwasserreaktor ist eben äußerst ineffizient: weniger als 1% des Energiegehaltes von Natururan werden abgegriffen, maximal 5% des Gehaltes des angereicherten Urans im Brennstoff. Kein Wunder, das substantielle Abfallmengen übrigbleiben! Nach dem Einsatz im Reaktor besteht der Brennstoff immer noch zu 95% aus Uran 238, zu 1% aus unverbrauchtem Uran 235, zu 3% aus Spaltprodukten und 1% aus Plutonium und höheren Transuranen. Nebenstehende Grafik zeigt die involvierten Volumina im Vergleich mit der Größe des Pariser Platzes (Brandenburger Tor) in Berlin.



Radiotoxizität verschiedener Atommüllkomponenten relativ zu Natururan im Laufe der Zeit. Man sieht deutlich, dass das schwerwiegendste Lagerungsproblem von Plutonium und höheren Atomgewichten („Minore Aktinide“) ausgehen. Spaltprodukte sind nach wenigen Jahrhunderten harmlos.

Die Spaltprodukte sind anfangs stark radioaktiv, sie klingen jedoch verhältnismäßig rasch ab. Die meisten sind nach wenigen Jahrzehnten zu stabilen Isotopen zerfallen, nach 300 Jahren unterschreitet die Mischung das Aktivitätsniveau von Natururan. Es sind auch einige langlebige Nuklide darunter, bei diesen handelt es sich jedoch um schwache Betastrahler. Zu beachten ist, dass die Halbwertszeit und die Aktivität instabiler Substanzen sich gegenläufig verhalten: Je langsamer der Stoff zerfällt, desto weniger Zerfälle finden pro Sekunde statt, desto schwächer ist die Strahlung. Weder besonders langlebige Isotope mit Halbwertszeiten im Bereich von Millionen oder Milliarden Jahren (denn diese strahlen schwach), noch besonders kurzlebige (diese klingen rasch ab), sondern solche mit mittlerer Halbwertszeit stellen uns in Sachen Entsorgung vor ein schwierig zu lösendes Problem. Es sind dies die Transurane, deren Halbwertszeiten bei Jahrtausenden liegen können und zudem Zerfallsreihen angehören. Bislang plant man, sie bis in fernste Zukunft in stabilen Gesteinsformationen oder Salzstöcken zu lagern. Doch es gibt eine bessere Option: Sie nennt sich Dual-Fluid-Reaktor plus Pyrochemische Prozesseinheit.

Die Pyrochemische Prozesseinheit (PPU)

Die meisten Menschen denken bei dem Begriff „Aufarbeitung“ sofort an die Wiederaufarbeitungsanlagen La Hague, Sellafield und Wackersdorf und damit implizit  an PUREX: Plutonium-Uranium Recovery by Extraction. Dieses Verfahren wurde schon im Zusammenhang mit dem amerikanischen Kernwaffenprojekt in den 1940ern entwickelt: Fester Brennstoff wird in einer wässrigen Chemikalienlösung zersetzt. PUREX ist extrem teuer und ineffizient, aber dennoch das einzig kommerziell genutzte Wiederaufarbeitungsverfahren. Es wird daher heutzutage kaum noch angewandt — nahezu alle Staaten weltweit betreiben ihre Kernkraftwerke im „Einmal-Durch-Zyklus“, d.h. der Festbrennstoff verbleibt solange im Reaktor, bis die Spaltproduktekonzentration zu stark angestiegen ist, danach soll direkt endgelagert werden.

Ein wesentlicher Vorteil von Reaktoren mit flüssigem Brennstoff besteht darin, dass „on-site, online“-Aufarbeitung möglich ist: Bei laufendem Reaktor werden durch eine Anlage, die direkt auf dem Kraftwerksgelände montiert ist, ständig Spaltprodukte abgetrennt und frische Aktinide zugegeben.

Für den DFR ist zu diesem Zweck eine sogenannte Pyrochemische Prozesseinheit (Pyrochemical Processing Unit; PPU) vorgesehen.



Die einfachste PPU: Eine dörfliche Destille in Osttimor. (Quelle) In dem Behälter auf der Feuerstelle wird vergorener Zuckersaft erhitzt. Das verdampfende Ethanol strömt durch das lange Rohr, kondensiert und wird in einer Flasche aufgefangen. Die über das Rohr gelegten Wellblechstücke dienen als Kühlrippen.



Schema einer industriellen Rektifikationskolonne (Raffinerie, Chemiewerk, etc.). Von oben nach unten nimmt die Temperatur zu. Dampf steigt in der Kolonne auf, Kondensat fließt in entgegengesetzter Richtung. Je nach Temperatur (d.h. Höhe in der Kolonne) kann eine bestimmte Stoffgruppe entnommen werden — auf diese Weise zerlegen beispielsweise Raffinerien das Rohöl in Komponenten verschiedenen Molekulargewichts, von Heizgas bis Bitumen. Die PPU arbeitet nach analogem Prinzip. (Quelle)

Die PPU dient zum elementreinen Auftrennen der Brennstoffflüssigkeit mithilfe von Temperaturunterschieden: Sie ist somit nichts anderes als eine Destille! Bei der Produktion von Spirituosen, aber auch in vielen anderen Industriezweigen — Titangewinnung, Erdölraffination, Meerwasserentsalzung — leitet man Dampf durch Kolonnen, in denen Temperaturgradienten herrschen, so dass die verschiedenen Komponenten an unterschiedlichen Stellen kondensieren. Die PPU überträgt dieses etablierte Prinzip auf flüssige Kernbrennstoffe.

Da Metalle zu hochsiedend sind, muss beim DFR/m als Vorstufe vor der PPU Umwandlung in ein Chlorsalz erfolgen (und hinterher wieder Entfernung des Chlor).

In der PPU wird das Flüssigsalz zunächst „gespült“, d.h. von Argongasblasen durchdrungen. Dies treibt die flüchtigen Spaltprodukte wie Krypton, Xenon und Jod aus, die getrennt einige Wochen bis Monate zum Abklingen zurückgehalten werden. Edelmetalle unter den Spaltprodukten, die nur schwach ans Chlor gebunden sind, sowie der medizinisch wichtige Stoff Molybdän 99 setzen sich an den Blasenoberflächen ab.

Das restliche Substanzgemisch wird in der Destillationskolonne verdampft und kondensiert auf unterschiedlichen Höhen — nahezu elementrein. Je nach Typ findet nun eine unterschiedliche Behandlung statt:

  • Die Aktinide wandern in Sammelbehälter mit Dosierventilen und werden entweder dem Kreislauf wieder zugeführt oder aber zur Nutzung in anderen Kraftwerken abgezweigt. Zur Herstellung von Waffen sind sie völlig ungeeignet, die sie mit Plutonium 240 verunreinigt sind, welches Kernexplosionen unterdrückt.
  • Die kurzlebigen Spaltprodukte geben sehr viel Wärme ab. Diese braucht nicht ungenutzt zu bleiben: Durch Speicherung innerhalb des Bleikreislaufs (aber außerhalb des Reaktors) tragen sie mit bis zu 20 MW zur Energieerzeugung bei.
  • Langlebige Spaltprodukte werden sortenrein portioniert, gekapselt und im Reaktorgebäude eingelagert.
  • Sehr langlebige Spaltprodukte wie Tc-99, Se-79 und I-129 werden bereits im Reaktor transmutiert und verbleiben im Kreislauf.

Der DFR nimmt während des Betriebs ausschließlich Aktinide auf — beispielsweise abgereichertes Uran, von welchem 2 Millionen Tonnen weltweit vorrätig sind: genug, um den momentanen Strombedarf über 500 Jahre lang zu decken, ohne zusätzlichen Bergbau! Das schwach radioaktive Metall könnte man in den Händen zum Kraftwerk tragen, wenn seine Dichte nicht so außerordentlich hoch wäre (20 kg pro Liter).



Brennstoffkreislauf mit LWR und nachgeschaltetem DFR: Zunächst wandelt der LWR einen Teil des Uran 235 in Spaltprodukte und des Uran 238 durch Neutroneneinfang in Transurane. Die Spaltprodukte sind nicht mehr zur Energieerzeugung geeignet und werden mit der PPU abgeschieden. Der DFR spaltet sowohl Uran 235 wie auch die Transurane. Seine Neutronenökonomie erlaubt darüberhinaus effizientes Erbrüten von Plutonium 239, so dass längerfristig ausschließlich fertile Stoffe (Uran 238 oder Thorium 232) nachgefüttert werden müssen.


Partitionierung und Transmutation („P&T“) mit DFR und PPU. Bereits die reine Partitionierung erlaubt eine starke Verkleinerung des geologischen Endlagers; bei gänzlichem Abbrand aller Transurane im DFR entfällt es vollständig.

Auch bestrahlter Brennstoff aus Leichtwasserreaktoren kann im DFR gespalten werden, insbesondere die Transurane (Plutonium und höhere Atomgewichte), die für die langfristige Radioaktivität des Abfalls verantwortlich sind.

Das einzige Abfallprodukt sind die Spaltprodukte. Die Hälfte klingt sehr rasch ab, so dass pro Jahr nur ca. 500 kg im Reaktorgebäude eingelagert werden müssen (mit Kapselung 15 Tonnen). Nach 50 Jahren kann bereits ein Teil entnommen werden, nach 100 Jahren 90%, spätestens nach 300 Jahren sind alle Nuklide abgeklungen. Diese Zeitspannen ließen sich durch einen gezielten Transmutationskreislauf noch erheblich verringern. Die exzellente Neutronenökonomie des DFR erlaubt sowohl die Transmutation der von ihm selbst erzeugten langlebigen Spaltprodukte wie auch solcher, die im Abfall alter Leichtwasserreaktoren enthalten sind.

Die DFR-PPU-Kombo verkürzt damit die Lagerdauer des Atommülls um den Faktor 1000. Die Endlagerfrage wird gegenstandslos! Selbst wenn man sich entschließt, nur eine PPU ohne Reaktor zu bauen, ist damit bereits eine beträchtliche Vereinfachung des Problems möglich: Durch Abtrennen der Transurane wird das benötigte Lagervolumen stark reduziert (siehe nebenstehende Grafiken).